Frage des Monats
Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern können drastische Folgen für das Unternehmen und die Belegschaft haben. Wie schütze ich mich vor derartigen Differenzen und welche Handlungsempfehlungen gibt es im Falle eines Streits?
Schutz vor Risiken für das Unternehmen durch Streitigkeiten im Gesellschafterkreis kann man durch eine durchdachte und darauf ausgerichtete Gestaltung des Gesellschaftsvertrages schaffen. Für den Fall eines Streits sollte der Gesell-
schaftsvertrag klare Handlungsmechanismen vorsehen, die alles versachlichen. Außerdem hilft es natürlich immer im Falle eines Streits, wenn die Beteiligten in Kontakt bleiben, sei es unmittelbar oder auch nur mittelbar durch Berater, und der Streit mit Sachargumenten geführt wird. Auch hierfür kann der Gesellschaftsvertrag geeignete Mechanismen schaffen. Wichtig ist, dass etwaige Differenzen oder gar Streitigkeiten unter den Gesellschaftern, beispielsweise darüber, ob man erwirtschaftete Gewinne besser reinvestieren oder an die Gesellschafter auszahlen sollte, nicht dazu führen können, dass das Unternehmen handlungsunfähig wird. Konkret bedeutet dies, dass der Gesellschaftsvertrag stets die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft erhalten muss. Beispielsweise darf ein etwaiges Patt bei Gesellschafterabstimmungen nicht dazu führen, dass die Gesellschaft handlungsunfähig wird. Vielmehr muss alles stets so weitergehen, wie es ein im Gesellschaftsvertrag vorgesehener Ablauf vorsieht und nur aktiv durch eine Mehrheit dürfen Änderungen möglich sein oder sich im Einzelfall durchsetzen lassen. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, bei der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages dafür zu sorgen, Hürden aufzubauen, dass es nicht zu Kurzschlussreaktionen der Gesellschafter, etwa zu einer voreiligen Kündigung der Gesellschaft kommen kann, indem man beispielsweise lange Kündigungsfristen und späte Kündigungszeitpunkte vereinbart. Zusätzlich kann man die Ermittlung der Abfindung beim Ausscheiden aus der Gesellschaft so gestalten, dass sich nicht ohne Weiteres auf die Schnelle ermitteln lässt, mit welchem Abfindungswert ein Gesellschafter zu rechnen hätte, wenn er versuchen würde, aus Groll seinen Gesellschaftsanteil „zu versilbern“. Damit sich Unstimmigkeiten im Gesellschafterkreis nicht auf die operative Geschäftstätigkeit auswirken können, sollte man im Gesellschaftsvertrag klar regeln, welche Aktivitäten die Geschäftsführung ohne Zustimmung der Gesellschafter vornehmen darf und bei welchen Handlungen eine Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich ist. Findet eine zustimmungspflichtige Maßnahme nicht die erforderliche Mehrheit im Gesellschafterkreis, hat sie zu unterbleiben und es geht weiter wie bisher. Lässt sich absehen, dass die Gesellschafter mangels eigener Sachkunde derartige Entscheidungen nicht ohne Weiteres fällen wollen oder können oder ist absehbar, dass zwar Sachverstand
besteht, aber es schwer sein dürfte, Einigkeit zu erzielen, kann die Einrichtung eines – ggf. starken – Beirats sinnvoll sein, der dann u. a. auch über die Fragen zum Kompetenzkatalog für die Geschäftsführung entscheidet. Im Ergebnis macht es daher Sinn, auf die Ausgestaltung und gemeinsame Besprechung der konkreten Regelungen im Gesellschaftsvertrag ein besonderes Augenmerk zu richten, entsprechend den jeweils individuellen Gegebenheiten und persönlichen Besonderheiten im jeweiligen Unternehmen, gerade bei mittelständischen
Familienunternehmen. Dadurch können Möglichkeiten geschaffen werden, langfristig die Stabilität und den Frieden im Gesellschafterkreis und im Unternehmen und dessen Bestand und Handlungsfähigkeit zu sichern, zumal der Gesellschaftsvertrag häufig nicht nur für ein oder
zwei Jahre, sondern bisweilen für Jahrzehnte geschaffen und oftmals lange Zeit nicht wieder „angefasst“ wird. Kurz gesagt stellt der Gesellschaftsvertrag das Grundgesetz des Unternehmens dar und kann der Schlüssel zum Schutz vor negativen Auswirkungen auf das Unterneh-men und die Belegschaft bei Streitigkeiten im Gesellschafterkreis sein.
„Der Gesellschaftsvertrag muss stets die Handlungsfähigkeit eines Unternehmens erhalten.“
Dr. Volker Jahr