18. September 2015

Betriebsprüfung – Die Tricks der Prüfer

Die tricks der Prüfer
Moderne Prüfungsmethoden und -werkzeuge der Betriebsprüfung sowie der Wirtschaftsprüfung

Das Instrumentarium der Betriebsprüfer hat sich in den vergangenen Jahren deutlich erweitert. Die DurchführungEDV-gestützter Betriebsprüfungen unter Zugriff auf die Datenverarbeitung des Unternehmens beschleunigt die Informationsgewinnung der Betriebsprüfer fundamental. Dies hat den Umfang strittiger Punkte deutlich erhöht. Hinzu kommt, dass den Steuerpflichtigen mit der Einführung von umfangreichen Dokumentationserfordernissen für die internationalen Verrechnungspreise besondere Nachweispflichten auferlegt wurden, die insbesondere im Rahmen einer Betriebsprüfung relevant werden.

Welche daten sind gegenstand der elektronischen außenprüfung?
Gegenstand der elektronischen Außenprüfung sind alle Unterlagen nach § 147 der Abgabenordnung. Dies sind im Wesentlichen Buchführung, Jahresabschluss/Inventare, empfangene und versandte Handels- und Geschäftsbriefe, Buchungsbelege und sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Welche Daten dies sind, ist im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden.  Hierzu gibt es keine allgemein gültige Definition.

Worauf muss der Unternehmer außerdem achten?
Der Unternehmer muss dem Prüfer nur Daten zur Verfügung stellen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, d.h., dass er die steuerlich relevanten Daten von vornherein von den übrigen Daten in seinem EDV-System trennen sollte. Sinnvoll ist es auch, diese Trennung nach Jahren und Steuerarten vorzunehmen. Achtung: Erlangt der Prüfer Einsicht in Unterlagen, die für die Prüfung nicht relevant sind, so darf er sie dennoch nutzen. Es besteht hierfür kein Verwertungsverbot!

Welche Zugriffsmöglichkeiten hat die finanzverwaltung?
Unmittelbarer Zugriff  Der Prüfer verwendet die unternehmenseigene Hard- und Software zur Auswertung der Daten. Mittelbarer Zugriff  Der Prüfer lässt die Daten nach seinen Vorgaben durch das Unternehmen auswerten.
Datenträgerüberlassung Der Prüfer lässt sich die zu prüfenden Daten auf einem maschinell verwertbaren Datenträger (z. B. CD-ROM, DVD) übergeben und führt die Prüfung mithilfe seines eigenen Laptops und der Prüfungssoftware IDEA durch. Der Prüfer kann zwischen diesen Zugriffsarten wählen bzw. sie auch parallel nutzen. Ein Online- Zugriff auf die Datenbestände des Unternehmens ist der Finanzverwaltung jedoch nicht gestattet.

Vorgehensweise der Betriebsprüfer mithilfe der Idea-Software Das Programm bietet ein einfaches Werkzeug, mit dem sich Ziffern und Ziffernfolgen in einer vorher definierten Datenmenge
entsprechend dem sog. „Benfordschen Gesetz“ analysieren lassen. Das Ergebnis wird dann grafisch dargestellt. Wurden Werte manipuliert, so wird die Ziffernverteilung innerhalb der Datei
anders aussehen als die durch „Benfords Law“ vorgegebene, erwartete Verteilung der Ziffern bei natürlichen Zahlen. Im Rahmen einer Betriebsprüfung kann der Prüfer mit der in der Finanzverwaltung eingesetzten Software in kürzester Zeit Daten dahin überprüfen, ob die von Benford entwickelten Gesetzmäßigkeiten vorliegen. „Benfords-law“ Der Physiker Frank Benford
veröffentlichte im Jahr 1938 die nach ihm benannte empirische Gesetzmäßigkeit „Benfords Law“. Das Ergebnis seiner Forschungen war, dass es in der Welt mehr Zahlen mit niedriger
Anfangsziffer gibt als mit einer hohen ersten Ziffer. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Eins an erster Stelle jeder Zahl in 30,1 Prozent der Fälle und im Gegensatz dazu die Neun als erste Ziffer
nur in 4,5 Prozent der Fälle vorkam (siehe auch Infografik auf der folgenden Seite). die Schlussfolgerung lautet: wer manipuliert, denkt sich Zahlen aus. für ausgedachte Zahlen gilt Benfords law nicht Mit diesem Programm stellte Nigrini bspw. fest, dass die Steuererklärungen der ehemaligen amerikanischen Präsidenten keine Auffälligkeiten aufwiesen. Zwischenzeitlich wird die von ihm entwickelte Software von amerikanischen Behörden und Großunternehmen und auch von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auch in Deutschland genutzt. Seinen Nutzen hat das Wissen um die Vorherrschaft der Eins damit bewiesen. Aber vielen – auch Mathematikern ist das Gesetz nicht ganz geheuer. Eigentlich sollten die Zahlen doch alle gleich verteilt sein. Die Skala der Zahlen steigt gleichmäßig von Null bis Unendlich. Warum verteilen sich nicht alle Beträge gleichmäßig darüber? Die Eins ist auf dieser Skala von der Zwei nicht weiter entfernt als die Fünf von der Sechs. Für die wirklichen Dinge allerdings, die gezählt, gemessen und gewogen werden, kann der Weg von der Eins zur Zwei sehr lang sein: Um ihn zurückzulegen, müssen sie um das Doppelte wachsen. Einer Fünf fehlt dagegen nur ein Fünftel, um zur Sechs zu werden. Was wächst oder schrumpft, verharrt deshalb relativ lange im Bereich der führenden Eins. In diesem Zusammenhang muss natürlich auch darauf hingewiesen werden, dass mit dem Test auch evtl. Unregelmäßigkeiten bei Arbeitnehmern usw. festgestellt werden können (z. B. Spesenabrechnungen, fingierte Abrechnungen, Fahrtenbuch und Überstunden-
aufzeichnungen u. a.). Dies gilt verstärkt dann, wenn bspw. mit dem Betrug auch Genehmigungsgrenzen umgangen werden müssen oder aber bestimmte Beträge häufiger verwendet werden. Die
Auswertung weist dann genau auf diese Ziffern mit ihrer aus dem Rahmen fallenden Häufigkeit hin und gibt damit erste Prüfungsansätze. Weist der Strukturtest nach dem Benfordschen
Gesetz Unregelmäßigkeiten auf, ist dies noch kein Beweis im juristischen Sinne. Solche Differenzen führen noch nicht zu Schätzungen im Rahmen einer Betriebsprüfung, werden jedoch eine genauere Überprüfung auslösen. Das Programm bietet ein einfaches Tool als Programmbestandteil, mit dem sich Ziffern und Ziffernfolgen entsprechend dem Benfordschen Gesetz analysieren lassen. Das Ergebnis wird dann grafisch dargestellt. Wurden Werte manipuliert, so wird die Ziffernverteilung innerhalb der Datei anders aussehen als die durch Benfords Law vorgegebene Verteilung der Ziffern bei natürlichen Zahlen. Jeder Mensch hat seine Lieblingszahl. Der „CHI-QUADRAT-TESt“ Der englische Statistiker Karl Pearson entwickelte im Jahre 1900 den „Chi Quadrat-Anpassungstest“, mit dem sich „Lieblingszahlen“ entdecken lassen. Der „Chi-Quadrat-Test“ ist eine anerkannte mathematische Methode, bei der empirisch beobachtete mit theoretisch erwarteten Häufigkeiten verglichen werden. Dieser Test zeigt Auffälligkeiten sowohl im Bereich der ersten Ziffer als auch im Bereich der zweiten Ziffer vor dem Komma. Wie beim Benfordschen Gesetz kann der Betriebsprüfer diesen Test mithilfe der Software IDEA durchführen. Die importierten Daten aus der Software des Steuerpflichtigen lassen sich damit analysieren. Der „Chi-Quadrat-Test“ analysiert die Verteilung bestimmter Ziffern und basiert auf der Erkenntnis, dass jeder Mensch unbewusst Sympathien für oder Antipathien gegen bestimmte Zahlen hat. Bei größeren Zahlenkolonnen sollte man erwarten, dass jede der Ziffern Null bis Neun mit einer Häufigkeit von 10 Prozent vorkommt.

 

Durch den „Chi-Quadrat-Test“ kann man die Abweichung von diesem zu erwartenden Ergebnis feststellen. Bucht ein Unternehmer nämlich nicht die tatsächlichen Zahlen, sondern will seinem Glück nachhelfen und trägt erfundene Zahlen z. B. ins Kassenbuch, Spesenabrechnung oder Fahrtenbuch ein, spielen psychologische Faktoren eine große Rolle. Jeder Mensch hat unterbewusst bestimmte Lieblingsziffern. Hier setzt der „Chi-Quadrat-Test“ an. Während das Benfordsche Gesetz von der wissenschaftlich belegten Häufigkeit der ersten oder der ersten beiden Ziffern ausgeht, untersucht der „Chi-
Quadrat-Test“ die letzte Ziffer vor dem Komma (oder: die vorletzte Ziffer oder letzte/vorletzte Ziffer). Hierbei wird davon ausgegangen, dass z. B. direkt vor dem Komma der prozentuale Anteil der vorkommenden Ziffern etwa gleich groß ist (angenommene Häufigkeit = jeweils 10 Prozent). Man unterscheidet grundsätzlich kleine „zufällige“ Abweichungen und größere „systematische“ Abweichungen. der Chi-Quadrat-test in rechtsprechung
und in der abwehrberatung Es gibt inzwischen eine Vielzahl von Urteilen zu Fällen, in denen der Betriebsprüfer den Chi-Quadrat-Test angewandt hatte. Die Gerichte stellen regelmäßig klar, dass die Anwendung des Chi-Quadrat-Tests zulässig ist, er aber lediglich einen Hinweis auf mögliche Unregelmäßigkeiten liefere und der Test allein nicht geeignet ist, Beweise dafür zu erbringen, dass die Buchführung nicht ordnungsgemäß ist. Erfahrungsgemäß verlassen sich die Finanzbeamten bisweilen voreilig auf die Ergebnisse computergestützter Tests. Die Richter führten in einem aktuellen Urteil aus, dass dem Finanzamt der Nachweis einer Manipulation obliege. Die vom Finanzamt behauptete „Manipulationswahrscheinlichkeit von 100 Prozent“ aufgrund des vom Prüfer durchgeführten „Chi-Quadrat-Test“ könne nicht allein zu einer Zuschätzungsbefugnis führen. Der Berater muss sich jedenfalls in solchen Fällen mit statistischen Zusammenhängen beschäftigen und Anhaltspunkte dafür finden, warum bestimmte Zahlen überdimensional häufig in der Stichprobe aufgetreten sind. Oftmals wird auch seitens der Betriebs-
prüfung die Stichprobe zu klein gewählt. Nutzung der Prüftechniken durch wirtschaftsprüfer Erstmals wurde die IDEA 1987 vom kanadischen Rechnungshof sowie der kanadischen Berufsorganisation der Wirtschaftsprüfer präsentiert. Die Finanzverwaltung hat die Software seit ca. 10 Jahren im Einsatz. Deutsche Wirtschaftsprüfer setzten teilw. diese Software ebenfalls ein. Im Rahmen der Jahresabschlussprüfung, zur Vorbereitung auf eine Betriebsprüfung, bei der forensischen Untersuchung zur Aufdeckung von Wirtschaftskriminalität, aber auch bei der Prävention solcher Risiken, wird die Software gezielt eingesetzt. Die gewonnenen Erkenntnisse haben neben der steuerlichen Relevanz auch eine unternehmerische Relevanz. Mithilfe der Prüfungen können sowohl unbewusst begangene Arbeitsfehler als auch bewusste Manipulationen, bspw. von Mitarbeitern, aufgedeckt werden. Neben der Vorbereitung der Steuerprüfung wird auch die Unternehmenssicherheit erhöht.

Autor(en):

Der Autor Dipl.-Kaufmann Michael Engels ist Wirtschaftsprüfer, Steuerberater sowie Fachberater für Internationales Steuerrecht in der Kanzlei Friebe – Prinz + Partner und der Südwestfalen-Revision GmbH in Lüdenscheid.

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